Mut und
Versöhnung

Versöhnungsmesse

  • Was ist ein Friedensgruß? Warum feierte man einen Gottesdienst?

    Der Friedensgruß folgt im katholischen Gottesdienst auf die Aufforderung des Priesters, einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung zu geben: in Deutschland meist ein Händeschütteln, in Polen eine Verneigung. Die beiden Regierungschefs, Tadeusz Mazowiecki und Helmut Kohl, wählten die starke Geste der Umarmung während eines Gottesdienstes. Ihr Bild wurde zu einem erwünschten Symbol der deutsch-polnischen Versöhnung. Politische Probleme, wie die offene Frage der Entschädigung von Zwangsarbeitern und der polnischen Westgrenze, sollten zurücktreten und stattdessen eine gemeinsame Basis des Vertrauens entstehen. Diese gemeinsame Basis konnten Kohl und Mazowiecki in der sie verbindenden Religion finden, beide waren Katholiken. Die Feier eines Gottesdienstes öffnete eine Ebene des Miteinanders jenseits des normalen Politbetriebs. 

  • Warum fand die Versöhnungsmesse in Kreisau statt?

    Im Gegensatz zum Sankt Annaberg, wo zunächst ein Gottesdienst gefeiert werden sollte, war die Geschichte Kreisaus nicht mit deutsch-polnischen Konflikten verbunden. Stattdessen konnte Kreisau für ein „anderes Deutschland“ stehen, das sich dem Nationalsozialismus widersetzte. Vom Kreisauer Kreis hatte Tadeusz Mazowiecki bereits in den 70er Jahren gehört, als er sich mit dem deutschen Widerstand auseinandersetze. Und Helmut Kohl war die Gruppe gut bekannt, mit Eugen Gerstenmaier war er sogar befreundet gewesen. So war Kreisau für beide ein positiv besetzter Ort.

  • Das Auftreten der deutschen Minderheit während der Versöhnungsmesse

    In den 80er Jahren gab es noch einige hunderttausend Menschen in Polen, die sich der deutschen Minderheit zugehörig fühlten. Der größte Teil von ihnen lebte in Oberschlesien. Doch vor 1989 war die deutsche Minderheit in Polen „unsichtbar“, denn offiziell gab es keine Minderheiten. Bis zum Systemumbruch durften die Angehörigen der deutschen Minderheit sich nicht in Vereinen organisieren.
    Zur Versöhnungsmesse waren etwa 6000 Menschen nach Kreisau gekommen, unter ihnen auch viele Oberschlesier. Einige hatten Banner und Plakate mitgebracht, auf denen sie Kanzler Kohl grüßten. Es gab deutlich mehr deutschsprachige als polnischsprachige Plakate und durch die Fernsehübertragung war die deutsche Minderheit zum ersten Mal in ganz Polen deutlich sichtbar. Hinzu kam, dass auf einem Banner „Helmut Du bist auch unser Kanzler“ zu lesen war, was im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Anerkennung der Westgrenze Polens als revisionistische Aussage verstanden werden konnte.

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