Für die Haltung des Kreisauer Kreises zu Polen war die Einstellung von Helmuth James von Moltke von großer Bedeutung. Moltke hatte 1928, unmittelbar nach Abschluss seines Jurastudiums, vor, Polnisch zu lernen, er hielt das Land für einen wichtigen Nachbarn Deutschlands. Während des Krieges betonte er in der Gruppe die Notwendigkeit von Wiedergutmachung an Polen nach dem Krieg. Darin wird er unter anderem von Theodor Haubach (SPD) und Paulus van Husen (Zentrum) unterstützt, die sich beide ebenfalls schon viele Jahre zuvor mit Polen beschäftigt hatten.
Haubach (1931): „die deutsch-französische und deutsch-polnische Verständigung (seien …) das stabile, auf Dauer eingerichtete Fundament des künftigen Europas.“
van Husen (1930) „Das Bestehen Polens und gute Beziehungen zwischen ihm und Deutschland sind eine europäische Notwendigkeit.“
In Polen galt bis in die frühen 70er Jahre nur der kommunistische Widerstand als echter Widerstand und nur dieser war eine Würdigung wert. Der 20. Juli 1944 wurde als Versuch eines Teils der NS Eliten beschrieben, ein Stück ihrer Macht zu retten. Der Kreisauer Kreis war praktisch unbekannt. Bis in die 70er Jahre ist die Auseinandersetzung mit dem deutschen Widerstand außerdem vom Ost-West Konflikt und dem schwierigen politischen Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland dominiert. Die Entspannung, die mit der neuen Ostpolitik und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen einhergeht, lassen dann eine breitere Beschäftigung möglich werden. Der deutsche Widerstand bleibt aber ein Randthema. Karol Jonca, Rechtshistoriker der Universität Breslau, ist von Mitte der 1970 bis Mitte der 1990er Jahre der einzige, der spezifisch zum Kreisauer Kreis publiziert. Mit dem Jahr 1989 kamen dann praktisch unbegrenzte Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit dem Kreisauer Kreis. Diese findet unter anderem bei Veranstaltungen der Stiftung Kreisau statt.
In den Dokumenten des Kreisauer Kreises finden wir das Wort Versöhnung nicht. Doch die Mitglieder der Gruppe setzten sich mit Gerichtsverfahren für Kriegsverbrecher und Wiedergutmachung für „in ihren Rechten verletzten Personen“ auseinander. Helmuth James von Moltke hielt es für wahrscheinlich, dass Schlesien an Polen (oder die Tschechoslowakei) fällt und war der Meinung, dass man dies akzeptieren müsse. Er war es auch, der in seinem Brief an Linonel Curtis als vielleicht größte Herausforderung für das Nachkriegseuropa folgende Frage formuliert: Wie kann das Bild des Menschen in den Herzen unserer Mitbürger wiederhergestellt werden? Der Inhalt dieser Frage zielte auf die Schwierigkeit von Versöhnung in Europa nach dem Krieg ab. Dass Moltke diese als größte Herausforderung benannte, zeigt den Stellenwert des Themas aus der Perspektive des Kreisauer Kreises.